26. Weinmarketingtag Rheinland-Pfalz "Gück in der Nische - Weinmarketing einmal anders"

Stand: 10/28/2019
Glück in der Nische – Weinmarketing einmal anders



Am 7. November 2019 findet am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim der 26. WeinMarketingtag Rheinland-Pfalz statt. Bernd Wechsler vom Kompetenzzentrum Weinmarkt & Weinmarketing schreibt bei uns vorab, was die Teilnehmer erwartet.

Der Begriff „Nische“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht. In der Alltagssprache steht er für einen kleinen Zwischenraum, wie etwa die Kochnische oder die Parknische. Auch in der Evolutionsbiologie gibt es den Begriff der Nische, genauer der ökologischen Nische. Die Konkurrenzsituation z.B. um Nahrung steigt nämlich, je mehr Individuen in einem Lebensraum angesiedelt sind. Nun hat es die Natur glücklicherweise so eingerichtet, dass sich das Leben an diese Bedingungen anpasst. Während die einen ihren angestammten Lebensraum weiterhin besetzen und erfolgreich bewahren können, weichen andere Lebewesen (getrieben durch die Evolutionsfaktoren „Variation“ und „Selektion“) in ökologische Nischen aus. Sie passen sich den Bedingungen der Nische an.

Den Nischenbegriff gibt es auch in der Ökonomie. Denn was in der Biologie gilt, ist auf die Entwicklung von Märkten in unserem Fall den Weinmarkt zu übertragen. Auf dem Markt treffen Angebot und Nachfrage aufeinander. Und je gesättigter ein Markt, umso größer der Wettbewerb um den Kunden. Anbieter, die sich gegenüber ihren Konkurrenten nicht durchsetzen können, verschwinden über kurz oder lang. Die übrigen verbleiben entweder im angestammten Markt oder sie verändern sich, schaffen neue Produkte, setzen sich ab und finden eine Marktnische. Findet man die richtige Nische gelingt es ihnen, sich dem Konkurrenzdruck des Massenmarktes zu entziehen.

Grundsätzlich gilt, je höher der Entwicklungsgrad des Marktes, sprich, je reifer und gesättigten ein Markt ist, desto mehr Nischen tun sich auf. Das lässt sich auf viele Branchen übertragen und nachvollziehen. Niemand wird der Aussage wiedersprechen, dass der Weinmarkt international gesättigt ist, auch in Deutschland. Länder, in denen der Weinkonsum wächst, sind selten geworden. In Europa erleben wir derzeit gerade in den großen Anbauländern zum Teil drastische Verbrauchsrückgänge. Auch in Deutschland geht der Konsum laut GfK seit Jahren leicht aber eben kontinuierlich zurück. Gleichzeitig drängen Anbieter mit neuen Produkten auf den deutschen Markt und verschärfen die Konkurrenz deutlich.

Um in einem solchen Umfeld das Überleben des Unternehmens auf dem großen Markt zu sichern, gibt es grundsätzlich zwei Strategien. Eine Strategie ist die „Kostenführerschaft“. Das heißt, das Unternehmen strebt nach möglichst niedrigen Produktions- und Distributionskosten. Preise der Konkurrenz werden unterboten, mit dem Ziel möglichst große Marktanteile zu schaffen. Auf dem Weinmarkt erfordert diese Strategie vor allem herausragende Fähigkeiten in den Bereichen Rohwaren-/Fassweineinkauf, Kellertechnik/Abfüllung und Vertrieb/Logistik. Die Ansprüche an das klassische Marketing sind weniger hoch. Verkauft wird vor allem über den Preis. Deshalb besteht bei dieser Strategie immer die Gefahr des ruinösen Wettbewerbs auf relevanten Märkten. Und darunter leidet letztlich oftmals die Qualität des Produktes. Wer muss da nicht unweigerlich an die scheinbar „unvermeidliche“ Geschichte des Niedergangs der Liebfrauenmilch denken?

Neben der Kostenführerschaft gibt es eine weitere grundsätzliche Wettbewerbsstrategie, die im Wesentlichen auf die Differenzierung des Angebots/der Produkte und damit auf höhere Wertschöpfung setzt. Das heißt, die Unternehmen versuchen sich deutlich von Wettbewerbern abzuheben, z.B. durch höhere Qualität und/oder besseren Service. Entscheidend ist es, die individuellen Besonderheiten und Stärken des Betriebs klar zu profilieren. Dies umfasst sowohl alle Kommunikationsinstrumente in Richtung Kunden (Marke, Erscheinungsbild, Winzerpersönlichkeit usw.) als auch das Produkt (Sortimentsgestaltung und Qualitätsmerkmale). Wichtig ist, dass diese Einzigartigkeit auch auf eine positive Wahrnehmung beim Kunden stößt. Es geht nicht darum nur „anders“ zu sein, sondern „anders“ und gleichzeitig für die relevante Zielgruppe attraktiv zu sein. Auch diese Wettbewerbsstrategie ist nicht ohne Risiken: Wenn der Preisunterschied zwischen Kostenführern und Unternehmen mit Differenzierungsstrategien zu groß wird, leidet die Loyalität der Kunden. Wenn eine Differenzierungsstrategie die Kosten zu stark vernachlässigt, wird der Kostenvorteil irgendwann überhandnehmen. Außerdem besteht die Gefahr, dass Produktimitationen den wahrgenommenen Unterschied verkleinern. Ein üblicher Vorgang, wenn Branchen bzw. Märkte reifen. Auch in der Weinbranche gibt es Nachahmer, die mit me-too-Produkten am Erfolg von bekannten Weinmarken teilzuhaben.

Was für den Gesamtmarkt gilt, gilt auch auf Teilmärkten oder Marktsegmenten, den Nischen. Die Nischenstrategie öffnet mit innovativen Produkten neue Marktsegmente oder aber besetzt Bereiche, die für Großunternehmen zu klein geworden sind. Voraussetzung für eine erfolgreiche Nischenstrategie ist eine hohe Spezialisierung auf die Bedürfnisse der Kunden. Auch in Nischen können Betriebe entweder die Kostenführerschaft anstreben oder sich gegenüber dem Wettbewerber differenzieren. Im Mittelpunkt steht aber eine messerscharfe Fokussierung auf die speziellen Bedürfnisse der Zielgruppe. Gelingt dies, können sich Unternehmen eine Monopolstellung schaffen, höhere Preise realisieren und mehr Wertschöpfung generieren. Aber Achtung: Nicht jede Marktnische ist automatisch auch lukrativ und kann gegen die Konkurrenz verteidigt werden.

Wie aber entstehen Nischen? Und wodurch wird ihre Entstehung beeinflusst?

Wie bereits beschrieben, gilt grundsätzlich, je reifer ein Markt, umso größer die Zahl der Teilmärkte. So entstehen alleine durch die Veränderung des Einkaufs- und Konsumverhaltens von Verbrauchern immer neue Marktnischen. Die großen gesellschaftlichen Megatrends wie die Ökologie, Individualisierung, Gesundheit oder Globalisierung/Regionalisierung führen dazu, dass sich Verbraucherpräferenzen permanent ändern und weiterentwickeln. Dies erfolgt über alle Wirtschaftsbranchen und gesellschaftlichen Bereiche hinweg.

Deshalb hat sich die Zahl der Nischenprodukte auch beim Wein in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet. Es geht nicht mehr nur um rot oder weiß, Bordeaux oder Pfalz. Wachstumspotenziale gibt es bei biodyn oder vegan, Naturwein oder Super-Premiumsekt, Orange oder alkoholfrei. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Immer neue Segmente tun sich auf, Nischen sind bunt! Wer innovativ ist und bereit dafür den Fokus auf spezielle Zielgruppen zu schärfen, kann Nischenpotenziale früh erkennen und erfolgreich nutzen.

Es ist an der Zeit, sich mit dem spannenden Thema Marktnischen und wie man sie erfolgreich besetzt beim Weinmarketingtag Rheinland-Pfalz zu befassen. Die Veranstaltung am 7. November 2019 am DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück in Oppenheim steht deshalb unter dem Motto: Glück in der Nische – Weinmarketing einmal anders

Die Perspektiven und Chancen für Weinvermarkter sind dabei genauso vielfältig, wie die Anzahl der Nischen selbst. Nehmen wir das Beispiel Export: Der wichtigste Auslandsmarkt für deutsche Weine sind die USA. Im Jahr 2018 wurden laut Statistischem Bundesamt 180.000 hl im Wert von zirka 80 Mio. € exportiert. Diese Weinmenge trifft auf den größten Weinmarkt der Welt. Der US-Weinkonsum lag im Jahr 2018 bei rund 33 Mio. hl. Das heißt, deutscher Wein kommt in den USA auf einen Marktanteil von gerade einmal 0,5 %. In einer solchen Marktposition darf man getrost von einem Nischenprodukt sprechen. Zum Vergleich: Die Verkaufszahlen der wichtigsten Weinmarke der Weinkellerei E. & J. Gallo mit Namen „Barefoot“ liegen in einem Jahr fast zehnmal höher als die kompletten Weinimporte Deutschlands in den USA. Diese Tatsache erfordert ein smartes Nischenmarketing.

Aber nicht nur im Export, auch im Inland gibt es eine Vielzahl von Marktnischen und neuen kleinen Teilmärkten, die erfolgreich besetzt werden können. Ob start-up oder alt eingesessenes Weingut, wer es schafft ein klar profiliertes Produkt attraktiv zu positionieren, kann sein Glück in der Nische finden.

Bernd Wechsler


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