Fair Handeln beim Lebensmitteleinkauf | |||||||||||||||
Wie der Theologe Reinhard Turre einmal bemerkte, besteht „Chancengleichheit … nicht darin, dass jeder einen Apfel pflücken darf, sondern dass der Zwerg eine Leiter bekommt." (nach: Frankfurter Rundschau vom 18. Oktober 1997) Nach diesem Solidaritätsprinzip versuchen die verschiedenen Organisationen des Fairen Handels (engl. Fair Trade) den Kleinbauern, Arbeitern und traditionellen Handwerkern in Afrika, Asien und Lateinamerika eine „Steighilfe“ zu geben, indem sie durch entsprechende Standards die Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaften unter menschenwürdigen Bedingungen verbessern. Nur so können in weniger entwickelten Ländern kleine, wirtschaftlich schwache Erzeugerzusammenschlüsse auf dem Weltmarkt bestehen. Verantwortungsbewusste Verbraucher, die diese Initiativen unterstützen und durch den Einkauf von fair gehandelten Produkten „Entwicklungspolitik im Kleinen“ betreiben wollen, finden sich in Deutschland mittlerweile in allen Bevölkerungsschichten. Was bedeutet Fairer Handel? Im Mittelpunkt steht die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der kleinbäuerlichen Familien bzw. der Arbeiter auf den Plantagen und in den Fabriken der Dritten Welt. Durch transparente und partnerschaftliche Handelsbeziehungen mit Erzeugerzusammenschlüssen bzw. Organisationen, die die Interessen der Kleinbauern und Arbeiter vertreten, wird Gerechtigkeit im internationalen Handel angestrebt. Ausbeuterische Kinder- bzw. Zwangsarbeit und unfairer Zwischenhandel werden ausgeschlossen. Durch ein Aufpreiskonzept werden wirtschaftliche Entwicklungen, aber auch Bildung und Öffentlichkeitsarbeit sowie Maßnahmen zur Gleichberechtigung der Geschlechter gefördert. Die Produktpalette der Waren aus fairem Handel umfasst mittlerweile Kaffee, Tee, Kakao, Süßwaren, Honig, Bananen, Fruchtsäfte, Datteln, Rohrzucker, Reis, Wein, Gewürze, aber auch Non-Food-Artikel wie Sportbälle, Blumen, Baumwolltextilien, Schmuck und Kunsthandwerk. Fairtrade-Labels unterstützen die Verbraucher bei einer bewussten Kaufentscheidung, indem sie die Einhaltung fairer Grundsätze besiegeln. Aus einer Fülle von Labels sind im Bereich des Fairen Handels zwei Siegel international anerkannt: Das FLO e.V.-Siegel (FairTrade Labelling Organizations International e.V.) und das WFTO-Gütezeichen (World Fair Trade Organisation).
Die Standards der Fairtrade-gesiegelten Produkte unterscheiden zwischen allgemeinen Standards („generic standards“) für die Handelspartner und Standards für Händler. Die allgemeinen Standards für die Handelspartner differenzieren zwischen den Zielgruppen der Kleinproduzenten und der lohnabhängigen Arbeiter. Sie umfassen:
Die Standards für die Händler variieren von Produkt zu Produkt. Sie bestimmen über:
Weitere Informationen zu den Fairtrade-Handelsbestimmungen sind auf der Homepage von TransFair zu finden (www.transfair.org, Zugriff 26.04.2011).
Die Standards der WFTO sind allgemeiner formuliert als die FLO-Standards und entbehren produktspezifischer Einzelbestimmungen. Woher bekomme ich Faire Produkte? Absolute Fachgeschäfte für fair gehandelte Lebensmittel und Non-Food-Artikel sind die Weltläden, von denen es in Deutschland mittlerweile um die 800 Läden gibt. Auch Naturkostläden oder Bio-Hofläden bieten oft fair gehandelte Importwaren an. Lebensmittel mit dem Fair-Handels-Siegel sind aber auch zunehmend im konventionellen Einzelhandel zu finden. Somit werden Einkaufsmöglichkeiten für faire Ware immer flächendeckender. Historie des Fairen Handels Der Ursprung des Fairen Handels in Deutschland lag in den frühen 1970er Jahren in der Gründung der ersten Weltläden (auch Dritte-Welt-Läden oder Eine-Welt-Läden). Deren Ausgangspunkt war die Stiftung S.O.S (Steun voor Onderontwikkelde Streken) Wereldhandel 1967 in den Niederlanden. Zunächst wurden dort ausschließlich handwerklich hergestellte Artikel angeboten, die für die Menschen in Entwicklungsländern zum Aufbau beruflicher Existenzen beitragen sollten. Allmählich wurde das Sortiment durch Kaffee und andere Lebensmittel erweitert, womit die Weltläden auch neue Käufergruppen gewannen. Parallel zur Entstehung der Weltläden gab es eine Reihe von kirchlichen Organisationen und zahlreiche von ehrenamtlichen Mitgliedern getragene Initiativen, die Aufklärungskampagnen über die Dritte-Welt-Problematik starteten und neue Vertriebswege des Fairen Handels schufen. So veranstalteten zum Beispiel die beiden christlichen Jugendverbände, Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), 1970 aus Protest gegen die damalige staatliche Entwicklungspolitik die so genannten „Hungermärsche“. Aus dem damals aufgegriffenen Motto „Lernen durch Handel(n)“ entstand später die „Aktion Dritte Welt Handel“ (A3WH), die ihre Waren aus der Fair-Handelsgesellschaft S.O.S in den Niederlanden bezog.
Auf internationaler Ebene gibt es zahllose weitere Organisationen und Initiativen, die sich teilweise dem Vertrieb spezifischer fair gehandelter Produkte verschrieben haben, so beispielsweise viele Bananen-Importorganisationen, wie in Deutschland der BanaFair e.V., der ausschließlich Bananen von Kleinproduzenten importiert und vertreibt. Die 4-C-Association (Common Code fort he Coffee Community) mit einem freiwilligen Verhaltenskodex in der Kaffeewirtschaft und RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil) ein Runder Tisch für einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Palmölanbau, setzen ebenfalls eigene Maßstäbe. Die US-amerikanische Rainforest Alliance vereinigt soziale und ökologische Mindeststandards für den Anbau von Kaffee, Kakao und Bananen und stellt den Schutz des Regenwaldes in den Mittelpunkt ihrer Standards. Die meisten Fairtrade-Produkte sind auch ohne Bio-Label nach ökologischen Gesichtspunkten hergestellt. Umgekehrt gibt es viele Importeure von Bio-Produkten, die von Ihren langjährigen Lieferpartnern nicht eigens eine Fairtrade-Zertifizierung abverlangen. Doch zwangsläufig ist diese Öko+fair-Kombination nicht.
Fairer Handel im Ausblick Nach 30 Jahren unermüdlicher Aufklärungsarbeit durch Kirchen, Aktionsgruppen, Importorganisationen und einzelnes persönliches Engagement in Ländern der Dritten Welt hat sich der Faire Handel in den Köpfen der deutschen Verbraucher etabliert. Auch Nicht-Käufer wissen, was „fair“ bedeutet und halten dieses Konzept prinzipiell für unterstützenswert. Mehr und mehr Großverbraucher (Restaurants, Kantinen, Bäckereien und Cafés) sowie zwei Kaffeehausketten haben ihr Sortiment erweitert bzw. umgestellt und auch im Einzelhandel wächst der Anteil fair gehandelter Produkte stetig, zumal auch die Produktvielfalt im Angebot kontinuierlich zunimmt. Um den Fairen Handel immer wieder neu in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, gibt es seit 2001 alljährlich im September die „faire Woche“ bei der ein Netzwerk von Fairhandels-Organisationen unter einem stets wechselnden Motto deutschlandweite Aktionen startet. Denn auch wenn die großen deutschen Fair-Handelsimporteure ihre Geschäftsbeziehungen auf über 400 Handelspartnerschaften mit Produzenten in Afrika, Asien und Lateinamerika ausgeweitet haben und schon viele Menschen der Dritten Welt vom Fairen Handel profitieren konnten, so bleibt diese Sparte immer noch ausbaufähig. Literaturquellen · Forum Fairer Handel, im Internet unter forum-fairer-handel.de (Zugriff 06.04.2011) · GEPA (Hrsg.): Zahlen - Daten - Fakten, im Internet unter gepa.de (Zugriff 04.01.2011) · Brot für die Welt (Hrsg.): Wie Fairer Handel zu einem würdevollen Leben beiträgt (Video), im Internet unter brot-fuer-die Welt.de (Zugriff 04.01.2011, aktualisiert 05/2020) · Misereor (Hrsg.): Von Anfang an fair, im Internet unter misereor.de (Zugriff 05/2020) · Naturland e. V. (Hrsg.): Naturland Fair Richtlinien, im Internet unter naturland.de (Zugriff 11.04.2011) · Das Renner-Institut (Hrsg.): Fairer Handel, im Internet unter www.renner-institut.at (Zugriff 07.04.2011, Link veraltet) · Fair & Bio OnlineShop (Hrsg.): Organisieren im fairen Handel, im Internet unter schoenesgeld.de (Zugriff: 06.04.2011, Link veraltet) · Trans Fair e. V. (Hrsg.): Fairtrade Deutschland, im Internet unter fairtrade-deutschland.de (Zugriff am 04.01.2011, aktualisiert 14.04.2020) · Weltladen-Dachverband, im Internet unter www.weltladen.de/ (Zugriff 07.04.2011) · Coffee Circle, im Internet unter coffeecircle.com (Zugriff 07.04.2011) |
|